(in: Junge Welt 26.1.2023, S. 12f.)
Weit verbreitet ist die Auffassung, ohne Konkurrenz, ohne unternehmerisches Interesse am Gedeihen des eigenen Privatbetriebs sowie ohne einzelbetriebliches Gewinninteresse gebe es keine Motive für effektives und effizientes Arbeiten. Dem Nachdenken über eine gesamtgesellschaftliche Alternative setzt diese These empfindliche Grenzen. Sie klammert interessiert Tendenzen in der Gegenwart aus, die nicht zu ihr passen.
Berufsinhaltliche Arbeitsmotivationen
Schon in der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie entstehen bei den Arbeitenden zum Teil Vorstellungen, wie sie sinnvollere und bessere Produkte und Dienstleistungen schaffen und anbieten können, als dies unter kapitalistischen Maßgaben möglich ist. »In dem Maße (…), in dem die Arbeitenden ihre Arbeit aus subjektiven Motiven heraus inhaltlich ernst nehmen, entwickeln sie Vorstellungen und Ansprüche in Bezug auf diese Arbeit, werden sie in diesem Sinne zu deren bewusstem Subjekt, das nach eigenen Kriterien gestaltend und fordernd eingreift« (Beck, Brater 1976, 209), und stellen das arbeitsinhaltliche Verfügungsmonopol der »Arbeitgeber« infrage.
Nicht nur innerhalb des jeweiligen Arbeitsbereiches gibt es ein lebhaftes Interesse daran, dass gute Arbeit stattfindet. Beispielsweise sind auch Kinderlose daran interessiert, dass Eltern und Lehrer die nächste Generation auf eine gute Weise erziehen. Diese Personengruppen nehmen sich besonderer Arbeiten und Dienstleistungen an, die für alle relevant sind. Ein anderes Beispiel sind Pflegekräfte, Ärzte und Physiotherapeuten. Zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Bereichen können Beziehungen der Repräsentation oder Treuhänderschaft existieren. Ist ihre Qualität gut, so erweist sich das »Zutrauen zu einem Menschen« als berechtigt, das »seine Einsicht dafür ansieht, dass er meine Sache als seine Sache, nach bestem Wissen und Gewissen, behandeln wird« (Hegel 7, 478).
Als Repräsentant meiner Belange in Bezug auf die Arbeit oder Dienstleistung handelt der Handwerker, der Lehrer oder der Arzt, wenn er gute Arbeit leistet. Sie sind dann meine Treuhänder in Feldern, in denen ich mich nicht auskenne. Als endliches Individuum kann und will ich kein Alleskenner und Alleskönner sein. Ich weiß um die Gefahr der Ausnutzung von Kompetenzen bzw. Expertise und ebenso um soziale Mechanismen, die das verhindern. Ich bin weder leichtgläubig noch voller pauschalem Misstrauen. Unter der Voraussetzung von Gegensätzen zwischen Privatinteressen fällt es vielen schwer, sich vorzustellen, dass es zum praktisch maßgeblichen Verständnis der eigenen Arbeit gehört, mit dem Arbeitsprodukt oder der Dienstleistung die menschlichen Vermögen des Empfängers zu fördern.
Eine solche gute Arbeit oder Dienstleistung hat »einen intersubjektiv teilbaren Sinn« und ist nicht »einzig ein Mittel zur Einkommenserzielung« (Thielemann 2010, 347). Sie orientiert sich nicht allein an einem strategischen Handeln oder einer reinen Erfolgsorientierung. »Für die Konsumenten eine ›gute‹ Leistung zu erbringen heißt, sich nicht opportunistisch an manifeste Kundenwünsche anzupassen und noch weniger, im Kunden bloß die Kaufkraft zu erblicken« (Ebd., 348). Das gehört zum emphatischen Anforderungsprofil von Professionen: »Leiste Deinen Zeitgenossen, aber nicht was sie loben, sondern was sie bedürfen« (Friedrich Schiller). Unter Bedingungen der Marktwirtschaft dominiert jedoch das Erwerbsinteresse über das arbeitsinhaltliche Interesse. Dass meine Arbeit oder Tätigkeit nachgefragt wird, ist dann für mich relevant, nicht aus welchen Gründen und Ursachen dies geschieht.
Institutionen
Das Bedürfnis nach guter Arbeit ist nicht auf die unmittelbar von ihr Betroffenen beschränkt. So beobachten gegenwärtig Organisationen die Aktivitäten von Unternehmen. Es handelt sich z. B. um die »Coordination gegen Bayer-Gefahren« mit Blick auf den weltweit agierenden Konzern Bayer, um die Organisation food-watch und andere. Eine durch solche Organisationen informierte und mobilisierte Öffentlichkeit kann Einfluss auf die Arbeitsinhalte und -motivationen ausüben. Gesellschaftlich gilt es von Bewegungen überzugehen zu Institutionen. Unabhängige Institutionen können die Evaluation von Betrieben und Organisationen übernehmen. Eine Vorform dafür bilden gegenwärtig die Rechnungshöfe. Die Wirtschaftsregulation in einer erstrebenswerten nachkapitalistischen Gesellschaft wird auf Produktlinienanalysen, Umweltbilanzen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Technikfolgeabschätzung aufbauen. Sie bilden eine Informationsinfrastruktur, die die qualitativen Wirkungen und Voraussetzungen von wirtschaftlichen Aktivitäten und Angeboten vergegenwärtigt und Grundlagen zur öffentlichen Beurteilung schafft.
In einer erstrebenswerten Ökonomie vergrößert sich der Stellenwert von qualitativen Kriterien und Indikatoren. Marktexterne Vorgaben und qualitative Indikatoren durchziehen dann die wirtschaftlichen Prozesse. Mehrdimensionale Erfolgskonzepte bilanzieren, inwieweit Betriebe und Organisationen sozial sinnvolle Produkte und Dienstleistungen schaffen, in ihnen gute Arbeitsbedingungen existieren usw. (Zum Kriterium „sinnvoll“ vgl. Creydt 2021b.) Korrigierend einwirken lässt sich auf davon abweichendes Handeln von Betrieben und Organisationen durch Auftragsvergabe, Kredite, Steuern und Subventionen.
Die notwendige Voraussetzung dafür ist das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln. Eine Institution »für die Regulierung der öffentlichen Unternehmen« legt nicht wie die Behörden in den Staaten des Warschauer Vertrags Produktionsziele fest und verteilt kein Produktionsmaterial, sondern setzt »bestimmte demokratisch festgelegte Normen für die Nutzung öffentlicher Anlagen durch«. Eine solche Institution würde im Namen der Gesellschaft »die Eigentumsrechte an den Unternehmen ausüben, während die Unternehmensangestellten auf Nutzerrechte beschränkt wären« (Elson 1990, 89f.).
In einer Gesellschaft des guten Lebens kommt es zum Relevanzverlust des Privatinteresses durch die Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das schließt zum Beispiel ein Verkehrswesen ein, das privaten Autobesitz weniger nötig und attraktiv macht. Dadurch nimmt auch die Notwendigkeit ab, als vereinzelter Einzelner per Privateigentum für schlechte Zeiten private Sicherheiten zu schaffen. Infrastrukturen, die das Ausleihen begünstigen (heutige Vorform z. B.: Car-Sharing), lassen sich ausbauen und weiterentwickeln. Dem Vorbehalt »Gemeineigentum ist Niemandseigentum, also kümmert sich niemand um es« lässt sich der Boden durch Regelungen entziehen, die individueller Übernutzung von Gemeingütern und Trittbrettfahrerverhalten entgegenwirken. Solche Veränderungen führen zu einem Nachlassen des »Besitzindividualismus« bzw. der Orientierung im Horizont partikularer Sondervorteile (»Egoismus«).
Die kapitalistische Ökonomie, aber auch Institutionen in der bürgerlichen Gesellschaft enthalten erhebliche Aktivierungshemmnisse gegenüber der Bereitschaft zu individuell erfüllendem und zugleich sozial sinnvollem Arbeiten. Angesichts dessen spricht Helmut Klages von der »Verschwendung von Humanpotential« (Klages 2002, 82). »Verzichten« könne man aber dann »auf die Kalkulation von Äquivalenzbeziehungen zwischen Input und Output, wenn man sich der Frage nach der Aktivierbarkeit der ›Ressource Mensch‹ von der Seite der vorhandenen und gewissermaßen abrufbaren mentalen Bereitschaften der Menschen her annähert. (…) Vielmehr kann man dann entdecken, dass die Menschen das, was sie gern tun, von sich aus tun, ohne dass es hierzu besonderer Anreize (…) bedürfte. Man hat dann unversehens ein ›weites Feld‹ vor sich, auf dem das Wort Knappheit vergessen werden kann« (Ebd., 142). Allerdings kann, »wer allen Ernstes glaubt, die Menschen seien von Natur aus träge, faul, korrumpierbar und nur durch die Aussicht auf Geld zu motivieren (…), nicht hoffen, bezüglich der Aktivierbarkeit der ›Ressource Mensch‹ zu einem realistischen und effizienten Lösungsmodell zu gelangen. Er kann dann vielmehr nur noch Bestechungsmodelle vorlegen (›Du kriegst was, wenn Du mir entgegen kommst‹)« (Ebd., 142f.).
Teufelskreis extrinsischer Belohnung
Je stärker die Orientierung an einem extrinsischen oder instrumentellen Verhältnis zu den Arbeiten und Dienstleistungen bei den Arbeitenden (»Hauptsache, das Geld stimmt«) und je gravierender Einkommensunterschiede ausfallen, desto schwerer fällt die Motivation, die eigenen Fähigkeiten im wohlverstandenen Sinne der Empfänger der Arbeiten auszuüben. Vor diesem Hintergrund gewinnen extrinsische Prämien noch zusätzlich an Relevanz. Es geht darum, diesem Teufelskreis den Boden zu entziehen.
In dem Maße, wie Einkommensunterschiede etabliert sind, orientieren sich Individuen an ihnen. »Aber wenn es einen solchen Unterschied in einem Gesellschaftssystem nicht gibt, wenn es als ebenso unsinnig angesehen wird, mehr verdienen zu wollen als die anderen, wie wir es heute als unsinnig ansehen (jedenfalls die meisten von uns), um jeden Preis ein ›von‹ vor seinem Namen setzen zu wollen, dann werden auch Motivation, die einen wirklichen gesellschaftlichen Wert haben, auftauchen oder, besser noch, sich entfalten können: das Interesse an der Arbeit selbst, das Vergnügen, etwas gut zu machen, was man sich selbst vorgenommen hat, Erfindungsgabe, Kreativität, die Wertschätzung und Anerkennung der anderen. Umgekehrt, so lange die jämmerliche ökonomische Motivation da ist, werden einem von Kindesbeinen an alle anderen Motivationen abgewöhnt und verkümmern« (Castoriadis, Mothé 1992, 20f.).
Legitimitätsvorstellungen
Dem Privatinteresse kommen die Inhalte und sozialen Auswirkungen der Produkte und Dienstleistungen nur insoweit in den Blick, als sie seinem, andere Personen ausschließenden Nutzen dienen. Vorbehalte gegen diese Orientierung entstehen auch infolge der Verschlechterung der Lebensqualität durch Misstrauen, Gleichgültigkeit, Konkurrenz, dauerndes Rechnen und einen Mangel an Freundlichkeit und Freigebigkeit. Ein gutes Leben und eine sinnvolle Existenz der Individuen gibt es erst in einer Gesellschaft, in der die Menschen nicht der Maxime folgen »Ich tue erst dann etwas, wenn ich vom anderen ein Äquivalent meiner Leistung erhalte«. Diese Tauschorientierung führt zu einer Abwärtsspirale. Alle Beteiligten erwarten von anderen den ersten Schritt. In der bürgerlichen Gesellschaft nimmt jeder »die Beiträge der anderen Subjekte als Mittel zur eigenen Entwicklung« wahr. Demgegenüber geht es um eine Gesellschaft, in welcher der eigene Beitrag und der Beitrag von anderen als »Mittel des Einander-Entwickelns« (Raeithel 1983, 168) betrachtet werden. Der »Reproduktionsprozess des gesamten Gemeinwesens« ist als »komplexer Prozess des Einander-Entwickelns« zu verstehen und zu gestalten (Ebd., 162).
Das Bedürfnis nach sozial sinnvoller Arbeit und einer Sozialität, die Konkurrenz, Besitzindividualismus und Distinktion ebenso überwindet wie deren einfaches Gegenteil (Gemeinschaftskult und Moralismus), drängt auch die »Arbeitnehmerperspektive« zurück. Sie orientiert sich daran, »dem ›Arbeitgeber‹ so wenig zu geben wie möglich, aber so viel zu verlangen wie möglich. Im bisherigen Sozialismus übertrug sich das entsprechend: der Gesellschaft so wenig zu geben wie möglich, aber von ihr so viel zu erwarten wie möglich« (Arbeiterpolitik, 2017, 58. Jg., H. 3-4, S. 31).
Diese »Arbeitnehmerperspektive« existiert solange, wie der legitime Vorbehalt von Arbeitenden gegen ihre unattraktive und schlecht entlohnte Arbeit – und sei es auch eine Arbeit für das Gemeinwohl – zu einem reaktiven Privatinteresse führt. Es reagiert auf die praktische Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit und der Kunden gegenüber der Situation der Arbeitenden in der Arbeit. Wenn der Arbeitende durch die Produktionstechnologie und -organisation »an seiner Entfaltung gehindert wird, ist es unvorstellbar, wie er auf der anderen Seite das Selbstvertrauen, die umfassenden Kenntnisse, Fertigkeiten und Begabungen entwickeln soll, die es ihm erst ermöglichen, in der Gesellschaft als ganzer einen wichtigen und kreativen Part zu übernehmen« (Cooley 1982, 68). Arbeitende werden erst dann dauerhaft daran interessiert sein, dass ihre Produkte und Dienstleistungen direkt oder mittelbar die menschlichen Vermögen der Empfänger fördern, wenn eine grundlegende Veränderung der Wertigkeiten und der Arbeitsprozesse gesellschaftlich durchgesetzt ist (vgl. Creydt 2021a). Die Arbeit gilt dann nicht allein als Mittel für Zwecke außerhalb von ihr. Es kommt nun nicht nur auf das Leben und die Lebensqualität nach der Arbeit, sondern auf die Entwicklung derjenigen menschlichen Vermögen an, die allein in der Arbeit stattfinden kann. Der Konsum kann die problematischen heimlichen Lehrpläne des Arbeitens und die mit ihm verbundenen negativen Effekte auf die Arbeitenden nicht aufwiegen. Das Psychosozialprodukt steht normativ höher als das Bruttosozialprodukt.
Die Ausrichtung an partikularen Vorteilen zulasten anderer gilt es gesellschaftlich unnötig zu machen. Ebenso das Vorgehen, aus der Bedürftigkeit anderer einen eigenen Vorteil zu ziehen und den anderen mit seiner Abhängigkeit unter Druck zu setzen. All diese Orientierungen gelten in einer Gesellschaft des guten Lebens als unwürdige Vorgehensweisen aus einer primitiven Zeit, zu der niemand zurückkehren will. Vergleichbare Ablehnungen finden wir heute gegenüber Sklaverei und Leibeigenschaft oder gegenüber der Einschätzung, Frauen seien mindere Geschöpfe. In der Gesellschaft des guten Lebens wird es als unwürdig und peinlich gelten, das Feld des Nachbarn als Abfluss für die Gülle des eigenen Viehs zu betrachten. Menschen haben nicht allein Ziele erster, sondern auch Ziele zweiter Ordnung. Sie können zu ihren unmittelbaren Bedürfnissen bewertend Stellung nehmen. Sie fragen sich dann, ob sie eine Person sein wollen, bei der die kritisierten Orientierungen und Maximen dominieren. In der Frage nach dem guten Leben werden Ziele erster Ordnung danach beurteilt, ob und wie sie zu einer inhaltlich übergreifend verstandenen Lebensweise beitragen.
Die kapitalistische Ökonomie weist nicht nur beträchtliche immanente Ineffizienzen und Ineffektivitäten (vgl. z. B. die Literatur über das »Marktversagen«) sowie Gegensätze zwischen betrieblichen Erfolgsmaßstäben und gesellschaftlicher Lebensqualität auf. Wer es darauf abgesehen hat, dieser Ökonomie Effizienz und Effektivität zuzuschreiben, muss auch davon absehen, wie effizient und effektiv sie dabei ist, Produkte und Dienstleistungen von höchst zweifelhaftem menschlichen und gesellschaftlichen Wert bereitzustellen (vgl. Creydt 2021).
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!
Die Verfechter des materiellen Anreizes im DDR-Sozialismus hatten große Probleme damit, den »antisozialen Impuls enger sektionaler und privatinteressierter Motivationen (…) zu begrenzen«. Dieses Anliegen praktisch umzusetzen, »heißt gerade nicht, ihn auszunutzen und durch Anreize zu bedienen, die das zugrundeliegende enge Interesse belohnen und dadurch bestärken« (Devine 1992, 85). Die Linkspartei hingegen befürwortet in ihrem Erfurter Programm von 2011 »das Privateigentum kleiner und mittlerer Unternehmen«. Ein Vordenker der PDS bzw. Linkspartei wie Dieter Klein schreibt: »Privatkapitalistisches Eigentum und das Eigentum von kleinen Handwerkern, Händlern usw. hat sich für die betriebswirtschaftlich effiziente Produktion und Verteilung von Gütern des Massenkonsums und von Investitionsgütern bewährt« (Klein 2002, 129). Klein meint, »dass die Ausschaltung ihrer Gewinninteressen und unternehmerischen Initiativen in den staatssozialistischen Ländern erheblichen Anteil an Stagnationserscheinungen, Starrheit der Wirtschaftsstrukturen und mangelhafter Versorgung hatte« (Ebd., 133f.).
Diese Auffassung blendet nicht nur die in diesem Artikel skizzierten nachbürgerlichen Antriebe für wirtschaftliches Handeln aus, sondern auch Erklärungen dafür, warum sie sich in der DDR nicht in ausreichendem Maße entwickelten.*) Die Programmatik der Linkspartei enthält Kritik am Großkapital, nicht am Kapital. Sie missbilligt die Dominanz des Mehrwerts in der Gesellschaft, nicht die Mehrwertproduktion. Sie will die allerhässlichsten Auswüchse kapitalistischer Wirtschaft beschneiden. Man möchte gern bürgerliche Verhältnisse ohne deren negative Konsequenzen. Eine Gesellschaft, die sich durch grundlegend andere Antriebe wirtschaftlichen Handelns als in der bürgerlichen Gesellschaft auszeichnet, stellt kein programmatisches Anliegen der Linkspartei dar. Sowohl die Freunde als auch die Gegner von Sarah Wagenknecht in der Linkspartei wollen daran nichts ändern.
*) Vgl. dazu z. B. Arbeiterstimme 2013 und die bislang unübertroffenen Analysen von Irene Böhme 1982. Sie war in der DDR von 1961-1976 (Ausbürgerung von W. Biermann) Redakteurin der Zeitung ‚Sonntag? und von ‚Theater der Zeit?.
Literatur:
Arbeiterstimme 2013: Warum hat die DDR-Arbeiterschaft 1989/90 ihr Volkseigentum nicht verteidigt? In: Arbeiterstimme, Nr. 180. Nürnberg (alternativ in Schattenblick.de)
Beck, Ulrich; Brater, Michael 1976: Grenzen abstrakter Arbeit. Subjektbezogene Bedingungen der Gebrauchswertproduktion und ihre Bedeutung für kritische Berufspraxis. In: Leviathan, H. 2
Böhme, Irene 1982: Die da drüben. Sieben Kapitel DDR. Berlin
Castoriadis, Cornelius; Mothé, Daniel 1992: Hierarchie und Selbstverwaltung. Bielefeld (Zuerst in der Gewerkschaftszeitung CFDT Aujourd’hui, Nr. 8, 1974
Cooley, Mike 1982: Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod. Arbeitnehmerstrategien für eine andere Produktion. Reinbek bei Hamburg
Creydt, Meinhard 2019: Was kommt nach dem Kapitalismus? Hg. v. Helle Panke e. V. /RLS Berlin
Creydt, Meinhard 2021: Der Überfluss an problematischen Produkten und Dienstleistungen. In: Junge Welt, 23.12. 2021, S. 12f.
Creydt, Meinhard 2021a: Produktionstechnik vom Standpunkt der Arbeitenden. In: Telepolis 11.9. 2021
Creydt, Meinhard 2021b: Sinnvolle Existenz als Maßstab des eigenen Lebens und der Gesellschaft. In: Telepolis 13.6.2021
Devine, Pat 1992: Market Socialism or Participatory Planning? In: Review of Radical Political Economics. Vol. 24, Nr. 3-4
Elson, Diane 1990: Markt-Sozialismus oder Sozialisierung des Markts. In: Prokla, Nr. 78
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke. Hg. v. Moldenhauer, Eva; Michel, Karl Markus. Frankfurt M. 1970
Klages, Helmut 2002: Der blockierte Mensch. Frankfurt M.
Klein, Dieter 2002: Über einen alternativen Umgang mit der ungeheuren Präsenz des totgesagten Eigentums. In: Michael Brie, Michael Chrapa, Dieter Klein: Sozialismus als Tagesaufgabe. Rosa Luxemburg Stiftung. Berlin
Raeithel, Arne 1983: Tätigkeit, Arbeit und Praxis. Grundbegriffe für eine praktische Psychologie. Frankfurt M.
Thielemann, Ulrich 2010: System Error. Warum der freie Markt zur Unfreiheit führt. Bonn
PS
Der Artikel wurde in der ‚Jungen Welt? am 26.1. 2023 unter der Überschrift „No more Bullshit-Jobs“ veröffentlicht.
Weder war diese Überschrift abgesprochen noch passt sie zum Text.
Das Thema des Artikels sind Antriebe des wirtschaftlichen Handelns und nicht „Bullshit-Jobs“.
„Bullshit-Jobs“ ist ein inzwischen beliebter Ausdruck und wird dann meist im Sinne von „überflüssige“ Jobs verstanden. Das schließt auch Arbeiten ein, die als menschlich, sozial oder ökologisch problematisch gelten. David Graeber bezieht diesen Ausdruck in seinem Buch „Bullshit-Jobs“ (Stuttgart 2018) auf eine Teilmenge davon:
- „Lakaien“ (flunkies) sind Jobs, deren eigentlicher Sinn darin besteht, ihre Vorgesetzten wichtig aussehen zu lassen; z. B. Rezeptionisten;
- „Schläger“ (goons) werden nur gebraucht, um Schläger anderer Unternehmen in Schach zu halten; z. B. Unternehmensanwälte, PR-Spezialisten;
„Flickschuster“ (ducttapers) lösen die Symptome von Problemen temporär, ohne die Wurzel der Probleme anzugehen, z. B. Programmierer, die fehlerhaften Code reparieren;
- „Kästchenankreuzer“ (boxtickers) seien mit der Dokumentation von Arbeit beschäftigt, ohne selbst nützliche Arbeit zu verrichten;
- „Aufgabenverteiler“ (taskmasters) kreieren und verteilen sinnlose Aufgaben; z. B. mittleres Management.
Graebers Buch ist inhaltlich dürftig. Vgl. Lessenichs zutreffende Rezension:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/bullshit-jobs-david-graeber-auf-sinnsuche-15786827.html
PPS: Dieser Artikel steht in engem Zusammenhang mit anderen Texten auf dieser Netzseite, die sich den Umrissen einer nachkapitalistischen Wirtschaft widmen.
- Ist die Existenzberechtigung der Marktwirtschaft ewig haltbar?
http://www.meinhard-creydt.de/archives/971
- Zentrale Probleme von Konzepten für eine nachkapitalistische Wirtschaft
http://www.meinhard-creydt.de/archives/971
- Auseinandersetzung um Konzepte für eine nachkapitalistische Gesellschaft http://www.meinhard-creydt.de/cms/wp-content/uploads/2018/07/creydtrundbriefdiskantwort1.pdf